Ich bin meine Reise mit 18 bewusst angetreten, ich hatte genug davon, hin- und hergeschleudert zu werden, zu versuchen, irgendwie das Leben, das Spiel, den Sinn zu verstehen, ohne das Gefühl zu haben: „So ist es.“
Mit diesem, etwas trotzigen und verärgerten, ‚Ich will jetzt fühlen, wie es ist.‘, ging ich ins Bett und am nächsten Morgen hatte sich etwas in mir geöffnet.
Das war der Anfang, und er fühlte sich nicht nach Erleuchtung, Freude oder Weisheit an, sondern vor allem nach Verwirrung. Die Grundlagen, auf denen ich bis dahin gelebt hatte und vor allem die treibende Kraft, die mir sagte, es gibt immer das nächste zu erreichen und zu erleben, hatten sich aufgelöst. Manche hatten Angst, ich würde depressiv, weil ich nicht mehr lachte. Ich konnte nicht aus dem Herzen lachen, weil ich die Leere in mir spürte und im Kampf dagegen vor allem Herzschmerz wahrnahm.
Dieses Grundgefühl begleitete mich sieben Jahre. In diesen Jahren war ich fast immer alleine, ich studierte Weinbau, schrieb ein Buch, um mehr Klarheit zu finden und öffnete nach und nach meine dunklen Aspekte. Sehr früh wusste ich, dass die Arbeit mit der Dunkelheit der entscheidende Schritt ist, um mich ganz zu fühlen. Die liebevollen Spiegel dafür hatte ich immer um mich.
„Solange ich etwas von einem anderen Menschen will, kann ich ihn nicht ganz sehen.“
Je mehr Teile in mir ich anschaute, desto besser konnte ich andere Menschen fühlen und mein Leben und die Begegnungen wurden immer ganzheitlicher. Ich hatte zum Beispiel plötzlich ein weiches Gefühl zu Menschen, die mir Manipulation und Aussaugen zeigten, über die ich mich vorher nur aufregte und sagte: „Ich habe diese Teile nicht in mir. Ich bin nicht so.“
Trotz der zunehmenden Weite, hatte ich noch etwas in mir verschlossen. Einen harten Kern, den ich nicht anschauen wollte und der dadurch immer noch mein Leben bestimmte. Es gibt nicht 99 % Verantwortung. Ich konnte akzeptieren, dass ich dickköpfig und manipulierend war und Anerkennung wollte, aber dass ich eklig, herablassend und kalt war und dieser Teil in mir keine Grenzen kennt, wollte ich nicht akzeptieren. Immer wieder pikste ich mich, um daran zu kommen, doch am Ende standen Rechtfertigung, Selbstmitleid und immer Tränen, die die Wirklichkeit verschmierten.
„Der Schritt zur Seite ist das Leben“
2020 war nicht nur für die Erde, sondern auch für mich, das Jahr des Aufwachens. Nicht aufwachen dazu, dass es mehr als das menschliche Ich gibt, sondern, dass ich mich fragte, wie lange ich noch so leben möchte. Im Kompromiss, also auf Sparflamme, in der Angst vor meiner eigenen Dunkelheit.
In diesem Jahr war der Dualismus so deutlich wie nie und dieser Bewusstseins-Schub unterstützte mich, dass ich mich selbst klar sehen konnte. Es war, als würde ich einen Schritt zurücktreten und das Bild, das ich sah, wurde dadurch „scharfgestellt“.
Mir fiel auf, wie absurd meine Ausreden und Muster waren. So gab es zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit immer einen Punkt, an dem ich aufgab, und sagte: „Wenn ich dort durchgehend wahrnehme und ich selbst bin, ist es viel zu anstrengend.“ So machte ich mich immer zum Opfer und war wieder Spielball meiner Aspekte. Als ich im Frühling 2020 auf dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, wartete ich schon auf den üblichen schweren Atemzug und das „Ich kann halt nicht anders.“ in meinem Kopf, als es in mir hochkam: „Sagt wer? Stell dich nicht so an! Du kannst wahrnehmen, du weißt, wer du bist und wählst jeden Tag, es nicht zu leben. Hau alles raus, lebe, nimm wahr!“ Das habe ich von da an gemacht und das kann ich auch jedem empfehlen.
Bedingungslos
Je mehr Energie ich bewege und heraushaue, desto mehr fließt in mir nach.
Seitdem kann ich nicht mehr „nicht wahrnehmen“. Bis dahin blickte ich zwar immer durch, was geschah, aber im entscheidenden Augenblick machte ich zu und handelte ich nicht danach. Ich war nicht authentisch. 2020 forderte von mir, authentisch zu sein und zu mir zu stehen. Das Gefühl in dieser Zeit war neu –ich hatte keine Angst mehr um meine Energie. Ich kämpfte nicht mehr im Spiel, sondern war außerhalb davon. So genoss ich die Monate, nachdem ich gekündigt hatte, und konnte beobachten, wie die Energie, die ich jetzt ausstrahlte, wirkte. Bisher hatte ich gelernt: „Wenn du deine Energie bedingungslos raushaust, wird das ausgenutzt und du gerätst in Mangel.“ Eine Riesenlüge, die wir uns erzählen, um das Spiel am Laufen zu halten. Diese Realisierung brachte mich ins Leben und ich war bereit, in die dunkle, verschlossene Ecke zu schauen.
Als das Leben mich wieder einmal herausforderte und ich mich wieder gegen meine eigene Dunkelheit wehrte, fragte ich meine Seele: „Warum halte ich so stark fest?“ und sie zeigte mir alte Leben, die erklärten, was ich mir und anderen angetan habe und warum ich diese Teile so fest verschlossen gehalten hatte. Und, dass ich immer eine Wahl hatte. In diesen früheren Leben wählte ich immer die Selbstaufgabe, verkroch mich im Selbstmitleid und lies das ganze Leben nicht los. Immer waren andere Schuld – der Priester, der Berater, ein Mann, die Zeit… Am Ende des letzten dieser Leben erinnerte mich ein Amulett aus Kindertagen daran, dass ich mein Leben aufgegeben hatte, ich hätte nur einen Schritt machen müssen, ich hätte mich jederzeit für das Leben entscheiden können.
100 % Verantwortung
In diesem Leben habe ich die Wahl getroffen, alles zu nehmen, ganz zu sein. Weil es in Deutschland immer enger und härter wurde, entschied ich 2021 alles loszulassen und einfach zu gehen. Es ist eine andere Erfahrung, gar nicht mehr gebunden zu sein, nicht mehr an einen Ort „zurück“ zu kommen. Es war ungewohnt so bewusst unterwegs zu sein und alles wahrzunehmen. Es war immer wieder Arbeit, das Bewusstsein zu halten und nicht aufzugeben, weil es anstrengend wurde und diese blöde Erde einem keine Pause gönnt 🙂
Aber zum Glück ist die Erde so ehrlich. Ich musste die Verantwortung für meine Gestaltungen übernehmen, die Erfahrungen verinnerlichen und mutig in die verschiedenen Spiegel schauen, sonst kam gleich nochmal dieselbe Erfahrung. Ich sah die Menschen ganzheitlich, mit ihrer dunklen und hellen Seite und so kam meine Dunkelheit auch immer näher an mein Herz.