Damit meine ich nicht, dass man als Einsiedler, meditierend, ohne Kontakt zu anderen Menschen leben muss, um Meister des Seins zu sein.
Ich meine, dass man nicht voll von sich ist, solange man sich als „Teil von…“ – einer Partnerschaft, Beziehung, Gemeinschaft, Familie, Aufgabe… sieht.
Ein Teil von mir hat eine regelrechte Allergie auf „Communities”, Gruppen, Familie oder Beziehungen. Meine Reaktion darauf, dass ich weiß, dass es eine gute Idee war und sie leider nicht funktioniert.
Warum es nicht geht: Milchkaffee.
Jeder gibt einen Teil von sich in einen großen Pott in der Mitte, es wird kräftig gerührt und am Ende steht man vor Milchkaffee und keiner weiß mehr, ob er eigentlich Kaffee, Milch oder das klare Wasser vor der Zubereitung ist.
“Let’s make a compromise. You pay and I…don’t.”
Monk
Ein Beispiel aus Beziehungen: Einer möchte, dass aufgeräumt wird, dem anderen ist es nicht wichtig. Die Klarheit ist, wie immer, sehr einfach: Der, der Ordnung möchte, räumt auf.
Ich höre schon die aufgebrachten (Frauen)stimmen: Aber dann räume ja immer ich auf. – Möglich.
Die beliebteste „Lösung“ des Dilemmas: Ich nörgel am anderen rum, mache Vorwürfe, nutze das schlechte Gewissen des anderen, lasse meine Unausgeglichenheit an einer anderen Kleinigkeit aus…
Und der andere reagiert dann, mal genervt, mal nachgiebig, mal voll Reue…
Egal, wie die Sache ausgeht – Der Milchkaffee ist angerührt und sicher nicht das letzte Mal.
Die Klarheit, die immer 100 % Eigenverantwortung mit sich bringt, ist: Ich möchte Ordnung, ich räume auf. Wenn ich das nicht will, bleibt nur: Alleine leben.
Die Klarheit für den anderen: Will ich mich verändern/bewegen, in mehr Ordnung leben? Wenn ja, räum auf. Wenn nein, dann geht der andere.
Das klingt hart, aber nur so bleibt jeder bei sich selbst und hat eine Chance sich zu bewegen oder auch nicht. Den anderen verändern zu wollen, endet immer im oben beschriebenen Spiel, der Abgabe der Verantwortung für das eigene Leben und mit der Zeit in Ekel, Verachtung und Verbitterung. Das ist dann hart.
Neue Beziehung heißt Trennung
Das gute an Beziehungen war, dass man sich einem Spiegel stellt und alles von sich zeigt. Ganz offen, auch die ekligen und harten Seiten. Kein Entkommen, der andere sieht mich ja.
Also an sich genial. Ich habe eine Chance, Stück für Stück meine Aspekte kennenzulernen und nach Hause zu holen.
Ein klassischer Aspekt des Weiblichen ist das kleine, unsichere Kind, das immer sucht und braucht: Sicherheit, Bestätigung, eine Schulter zum Anlehnen…
Tatsächlich steckt hinter diesem Aspekt eine lange Geschichte, vielleicht erzähle ich sie an anderer Stelle einmal.
Der männliche Teil nimmt natürlich gerne die schmeichelnde Rolle des Beschützers ein, auch wenn er nicht versteht, was gerade geschieht. Und das würde ein klarer Blick in den Beziehungsspiegel auch zeigen: Einen verlorenen kleinen Jungen, der versucht einen Riesenbatzen weibliches Bewusstsein, verpackt in Kullertränen und „Ich kann nicht alleine“, hochzuheben und zu schleppen. Dieser Batzen Bewusstsein wartet seit langem darauf ausgepackt und zur Weisheit gebracht zu werden und nicht wieder einem ahnungslosen Mann aufgebürdet zu werden.
Das Weibliche würde in diesem Spiegel erkennen, dass das Männliche ihr hier nicht helfen kann, dass es ihre Verletzungen, ihre alten Leben, ihre Selbstaufgabe, ihre Stärke, ihre ekligen Spielchen, ihre Schönheit sind, die sie nach Hause holen muss.
Das Männliche müsste sehen, dass er auf das schmeichelnde Spiel des Weiblichen, das sich aufgibt, hereingefallen ist. Dass er dachte, er wäre der starke Mann, während er als kleiner Junge manipuliert wurde. Er würde aufwachen und sehen, dass gespielte Stärke nichts bringt, dass er mutig sein Herz öffnen muss. Nur dort wird er die Tiefe und Schönheit in sich finden, die er im Weiblichen gesehen hat.
Ich verwende Männlich & Weiblich/Mann & Frau, um diese Teile in jedem von uns zu beschreiben. Jeder, der diesen Text hier versteht, kennt beide Aspekte in sich. Für welchen Weg, eher männlich oder eher weiblich, du dich in diesem Leben entschieden hast, ist am Ende nicht wichtig, sie werden zum gleichen Ziel führen.
Nebeneinander statt miteinander
Viel „würde/hätte/könnte“, weil wir den gegenseitigen Spiegel nicht nutzen, sondern immer noch wie verrückt („Verrückt ist der, der immer die gleichen Dinge tut, aber andere Ergebnisse erwartet“, Einstein) unbeliebte Aspekte zwischen uns hin und her schieben und so hoffen, zur Vollkommenheit zu kommen. Katastrophe.
Jeder ist für seine Fülle verantwortlich, jeden Tag, jede Minute, jeden Atemzug.
Das ist die Grundlage einer neuen „Beziehung“. Kein Fallenlassen in den anderen, sondern in sich selbst. Wenn es anstrengend und hart ist, atme in diese Gefühle hinein und bewege sie und suche nicht Erleichterung beim anderen.
Ein Beispiel, das mir sehr vertraut ist: Ich habe eine anstrengende Nacht und komme nicht richtig aus dem Schlaf. Wenn ich dann nicht bewusst atme um ganz in den Körper zu kommen, haben Massenbewusstseins-Gedanken viel Raum und ich stehe schon unausgeglichen und genervt auf. Kein angenehmes Gefühl, und wenn ich es nicht zu mir nehme, bekommt es immer mein Gegenüber ab. Anders geht’s gar nicht, die Unausgeglichenheit ist ja da. Hier 100 % Verantwortung und Kontrolle zu übernehmen, ist nicht leicht, aber die Aufgabe.
Noch etwas zum Schlafen: Meiner Erfahrung nach geht es nicht, sich ein Bett zu teilen. Früher konnte ich das, selbst zusammen auf einer Isomatte war kein Problem. Mit der Zeit habe ich wahrgenommen, wie viel in der Nacht geschieht. Alle Energien des Tages suchen Auflösung und wenn wir das nicht bewusst machen, sondern einfach abschalten, sammeln sich die Energien im Bett. Wenn sich dann auch noch die unaufgelösten Energien von zwei Menschen mischen, dazu auch noch Sex, wird es sehr schwer. Wenn ich in einem anderen Haus übernachte, wähle ich nie das Schlafzimmer, in dem jemand das Bett teilt, da nehme ich lieber das Sofa.
Jeder braucht seinen Raum, um bewusst die eigenen Energien zu bewegen, in der Nacht zu verinnerlichen und am Morgen voll von sich aufzustehen. Das ist die Voraussetzung um nebeneinander, statt miteinander, zu leben.
All-eine
Alles in einem
Was bleibt also vom alten Beziehungstraum? Das Aufwachen.
Wir Menschen suchen immer das Besondere, das Mehr. Mein Traummann, meine Traumfrau, meine große Liebe, meine Zwillingsseele, meine Kinder… Diese Begriffe beschreiben keine besondere Beziehung, sondern Abhängigkeit. Deshalb ändern sich diese Beziehungen mit der Zeit, je nachdem wer gerade der Abhängigere ist: Der Traummann wird zum Arschloch, die große Liebe wird zur großen Enttäuschung, das Kind braucht die Mutter, später braucht die Mutter das Kind…
Eine klare Beziehung kannst du daran erkennen, dass sie sich nie verändert. Egal ob eine „Trennung“, Jahre ohne Kontakt, Erwachsenwerden oder sogar der Tod dazwischenliegen.
Beziehung war ein Traum, die Realität ist, dass jeder voll von sich ist. Du bist alleine genau der/die gleiche wie neben jemand anderem. Alles ist in dir, du bist hier, um das zu entdecken.