Gedichte

Als das Mehr zu viel wurde,
geriet die Erde aus der Bahn –
und doch geschah das schier Absurde,
die Menschheit durfte weiterfahrn.

Gedichte sind wie Bilder oder Musikstücke, die eine Aussage mit Tönen, Formen und Farben ausdrücken. Die Worte sind die enge Form, die den Kopf beschäftigt und in der sich ein weites Gefühl verbirgt.

Jedes Gedicht ist dadurch ein leichter Zugang zum eigenen Gefühl.

Die unendliche Enge

Blind – ein Schleier vor den Augen.
Was ich nicht sehe, bin ich nicht!
Die Lüge nährt die Gier, das Saugen –
verdrängt den Schmerz – und alles bricht.

Dumpf – das Dröhnen in den Ohren,
ständiger Gedankenmüll –
in toter Schattenwelt verloren,
verzehrt vom schleimigen Idyll.

Träge – stete Runden dreht
das Hamsterrad – ich kämpf‘ dagegen,
verbissen, doch mein Herz versteht –
Der Schritt zur Seite ist das Leben.

Januar 2020

2020

Welch krude Diktatur
würd‘ sich schon selbst verraten,
als krankhafte Tortur
in souveränen Staaten?

Welch angsterfüllter Blick
wagt sich zur milden Umsicht,
wenn Wahnsinn brüllt: „Zurück!
Die Maske ist hier Grundpflicht!“?

Welch unmündiger Mensch
kann sich betäubt erwehren?
Wer sagt schon: „Nein, Ich kämpf!
Ich lass mich nicht belehren!“

Die Traurigkeit legt Trost
aufs blanke Unverständnis
wie rauer Dauerfrost
auf ungezähmte Wildnis.

An Tränen der Verzeihung
erkennt die Freiheit jeden,
an Aneinanderreihung
der unzähligen Leben.

Und Zeit verzeiht der Schuld,
denn keiner kann sie halten,
außer die Geduld,
und die – wird neu gestalten.

 

Oktober 2020

Der Augenblick

Aufgeschnürt am Scheunentor
vereint aus großer Weite
stirbt des Sommers Ährenchor –
geneigt zur sich‘ren Seite.

Nach wie vor ein schweres Jahr,
verlangt das Überstehen –
das nächste grüßt von fern, doch nah
die Zeit das Korn zu sähen.

Die Ruhe, das entfernte Ziel,
gezwängt in Erdenbahnen.
Es treibt die Angst – uraltes Spiel,
das Spiel der Untertanen.

Getane Arbeit tausendmal,
die tausendeins kommt morgen.
Der Augenblick verfliegt, egal,
denn übrig bleiben Sorgen.

Juni 2020

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Weihnachten Ist Wunderbar

Endlich wieder Weihnachten,
der Dezember ist kaum da.
Der Kopf ist voller Leichtigkeit
und alle schreien „Wunderbar“.

Endlich wieder Weihnachten,
die Lichter scheinen hell und klar.
Blenden lass‘ ich mich doch gerne,
ja, so lebt sich‘s wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
berauscht von Tönen singt die Schar
immer wieder gleiche Lieder,
das Ohr jauchzt jubelnd „Wunderbar“.

Endlich wieder Weihnachten,
Geschenke jagen – auf, hurra!
Viele hungern sich zu Tode,
egal, die Welt ist wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
wart, ich will zum einen, zwar
wieder etwas Waches tun,
zum andern – Schlaf ist wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
Glühwein wankt die Sinne starr.
„Alles gut!“ – in froher Runde –
den Trug verdrängt ein „Wunderbar!“.

Endlich wieder Weihnachten,
die Verwandten, plötzlich nah –
lästern, dass die Fetzen fliegen –
Familienfest klingt wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
einmal Kirche geht sogar.
Jungfräulich als Held geboren,
Wunder kommt von wunderbar.

Endlich wieder Weihnachten,
Bewusstsein macht sich rar.
Niemand will den Scheiß hier haben,
Sturheit sticht, mit „Wunderbar“.

Endlich, heut ist Weihnachten,
nehm‘ ich mich noch richtig wahr?
Jagen, schreien, wanken, feiern,
ist das wirklich wunderbar?

Schließlich „Frohe Weihnachten!“,
bunt die Schleife Jahr für Jahr.
Die Luft ist raus, der Staub legt still
sein letztes Körnchen Wunderbar.

So bin ich Mensch, so will ich bleiben.
Auch Schein ist Sein, klar, sonderbar.
Vergiss, was diese Zeilen schreiben,
denn Weihnachten Ist Wunderbar.

Größenwahn

Gefallen – ein unbedachter Schlag
zerstört die Weisheit dichter Ringe –
was Wahrnehmung lang nicht vermag,
entgleitet leicht dem – Ich erzwinge.

Notwendigkeit erzeugt die Not,
die keiner wagt zu tragen –
man nehme stets das Höchstgebot –
genug – heißt nichts zu haben.

Wenn alles nur so einfach wär‘
wie Bäume-Weiterfällen –
ging‘s immer weiter, mehr, noch mehr,
auf mächtig großen Wellen.

Doch nein – der Absturz – unsichtbar
ergriff sich große Höhe –
der Schuldige alsbald war klar,
die unverschämte Böe.

Die Landschaft tot – Beton statt Holz –
die Not ist angetan.
In Kreisen sägt der Menschenstolz –  
verdammter Größenwahn.

Juni 2020

Die Zukunft blind in Angst gestalten,

als wär das Nächste aufzuhalten.

Und ward sie bald Vergangenheit

war alles gut – oh, alte Zeit.